Sinnliche Liebe. Aus Apuleius, Metamorphosen, 2, 7 - 11 und 15 - 17

... [Ich kam nach einem Ausgang wieder in die Wohnung meines Gastgebers zurück]. Weder er noch seine Frau war zu Hause. Ich fand dort aber [wie geplant, die attraktive Dienstmagd des Hauses] meine teure Photis ganz allein in der Küche vor der Anrichte, wo sie ihrer Herrschaft ein Ragout zubereitete, dessen lieblicher Geruch mir schon von weitem den Mund wässerig machte.

Sie hatte ein hübsches Leinenkleid an, und ihr Busen war mit einem schönen rötlichen Band hochgegürtet.

Soeben schwenkte sie mit ihren zierlichen Händen die Kasserolle, in der sie das Essen zurechtmachte. Durch ihre rasche Bewegung mit den leise wiegenden Hüften gerieten alle ihre zarten Glieder in sanfteste Schwingungen. Hin und her schwang anmutig der runde Popo und kreiste das faszinierend bewegliche Rückgrat.

Ich stutzte bei dem Anblick erst und stand dann fassungslos und voller Bewunderung da. Es stand an mir auch, was von meinen Gliedern zuvor geruht hatte. Endlich rief ich: »Allerliebste Photis! Mit solch regem Kreuz läßt sich die Kasserole wirklich gut schwenken und etwas schönes zubereiten! Wirklich, mehr als glücklich, wer da auch nur mit dem Finger hineintunken darf.« Das Mädchen darauf selbstbewußt und schlagfertig: »Halten Sie sich lieber möglichst weit entfernt von meinem Herde, mein bemitleidenswerter Herr; denn wenn Sie auch nur ein bißchen mit meinem Feuerchen in Berührung kommen, werden Sie ziemlich in Flammen geraten; und niemand kann Sie dann löschen außer mir. Allerdings kann ich gut würzen und einen Topf und ein Bett gleichermaßen sanft schütteln.«

Dabei musterte sie mich lachend; ich aber blieb stehen und betrachtete mir ganz aufmerksam alle Reize dieser witzigen jungen Frau. Um von anderem zu schweigen, Kopf und Haar haben mich schon immer betört. Bin ich in Gesellschaft, so sehe ich mich beständig danach um, und in der Einsamkeit habe ich im stillen meine Lust und Freude daran.

Der Grund für diese Vorliebe ist wohl dieser: Wäre der Kopf nicht der vornehmste Teil des Körpers, wie würde die Natur ihn so frei in die Augen fallend und wie auf ein Fußgestell auf die Schultern erhoben haben? Das Haar aber ist durch seine eigentümliche Schönheit dem Haupte, was den übrigen Gliedern kaum nur der gesuchte Schmuck lachender Farben und prachtreicher Kleider ist. Ja, will sich eine Schöne eindrucksvoll sehen lassen und in all ihrem Reiz erscheinen, so wirft sie die Bekleidung ab, jeglicher Schleier fallt: sie tritt allein in ihrer nackten Schönheit auf und vertraut mehr auf die Rosen ihrer Haut als auf das Gold ihres Gewandes. Allein - schrecklich, das auszusperchen, und niemals möge sich eine solche Untat ereignen - : entblößet das Haupt des schönsten Mädchens seines Haares, und ihr raubt zugleich auch dem Gesicht all seine Liebenswürdigkeit! Und käme sie von dem Himmel hernieder, wäre sie aus dem Meere geboren und von den Wellen erzogen, ja wäre sie Venus selbst, umtanzt von den drei Grazien, gefolgt von dem ganzen Volke der Amoretten, mit ihrem Gürtel geschmückt, duftete sie nach Zimt und tröffe von Balsam, ginge aber kahlköpfig einher - gefallen könnte sie selbst ihrem Vulkanus nicht. 9 Aber andereseits, was kann bezaubernder sein als ein Haar von schöner Farbe und blendendem Glanz, das hell in der Sonne blitzt oder nur einen sanften Widerschein von sich gibt und durch wechselnde Anmut seinen Anblick vervielfältigt; das, jetzt wie Gold schimmernd, sanft zur Farbe des Honigs sich verdüstert, jetzt bei Rabenschwärze mit der Täubchen blauspielenden Hälsen wetteifert oder, gesalbt mit arabischem Wohlgeruch, von künstlicher Hand geteilt und glatt zurückgebunden, wie ein Spiegel des gegenüberstehenden Liebhabers Bild verschönert zurückwirft? Was kann man Edleres sehen, als wenn seine Fülle, in einem Schopf gewunden, den Scheitel krönt oder ringelnd über den Rücken hinabfließt? Kurz, die Würde des Haares ist so groß, daß, geht eine Frau auch noch so geschmückt mit Gold, Stoff, Edelgesteinen und allem übrigen Staat und hat nur nicht für die Zierlichkeit ihrer Haare gesorgt, sie nicht als richtig schöngemacht gelten kann.

Meine Photis trug die ihrigen mit einer glücklichen Nachlässigkeit geziert und war darum nur desto reizender. Aufgerollt am Ende und verloren auf dem Wirbel durch eine Schleife befestigt, fielen sie in ihrem ganzen Reichtum auf den Nacken herab, verteilten sich um den Hals herum und ruhten an dem geschwungenen Saum des Kleides.

Ich konnte mich vor Übermaß der Wollust nicht mehr halten. Ich umfing Photis und drückte den Spitzen ihrer Haare, wo sie sich über der Stirn in einen Knoten verschlangen, einen Kuß voller Verlangen auf.

Sie bog den Hals zurück, sah mich seitwärts mit durchtriebenen Augen an und sprach: »He, mein schlauer Kleiner, das ist bittersüße Ware! Lassen Sie die Nascherei, oder Sie werden sich mit zuviel Honig den Magen verderben!«

»Wenn's weiter nichts ist!« versetzte ich. »Für einen einzigen Kuß von dir, meine liebe Schöne, laß ich mich sogar lebendig auf diesen glühenden Kohlen braten.«

Mit diesen Worten drückte ich sie fester an mich und küßte sie. Und auch sie umschlang mich, von gleichen Trieben hingerissen und, wie ich, schmachtend von lechzendem Verlangen; schon sog ich ihren Zimtatem aus halbgeöffnetem Munde ein, saugte Nektar von ihrer der meinen willig begegnenden Zunge und fühlte mich unwiderstehlich zum völligen Genusse der Wollust hingerissen, und ich rief aus: »Ich sterbe, Photis; erbarme dich, ich sterbe!«

Unter wiederholten feuervollen Küssen antwortete sie: »Sei guten Muts! Dein Wunsch ist auch der meine, und auf später als diesen Abend soll unser Vergnügen nicht verschoben sein. Sobald Licht angesteckt ist, bin ich auf deinem Zimmer. Jetzt geh und rüste dich zum Kampf. Ich kündige dir Fehde auf die ganze Nacht an.«

Mit solch turtelnder Hin- und Widerrede schieden wir voneinander.

........

[Am selben Tage abends] brach ich [von einer Geselligkeit] auf und begab mich in mein Zimmer, wo ich schon alles wunderschön zum Schmause zubereitet fand, auch war das Bedientenbett aus der Stube genommen und ganz weit von der Tür weg in einen Winkel gesetzt worden, damit man uns in der Nacht nicht behorchen könnte. Neben meinem Bett ein wohlbesetztes Tischchen mit zwei Bechern, schon halb mit Wasser angefüllt und nur auf die Vermischung des Weines wartend. Nächstdem eine ansehnliche Flasche, die zum desto bequemeren Herausschöpfen mit recht weiter Mündung versehen. Kurzum, alles auf einen echten Vorschmaus zum Liebeskampf eingerichtet!

Kaum war ich im Bett, so hatte auch schon meine Photis ihre Herrin zur Ruhe gebracht und flog mir, mit Rosen bekränzt und eine einzelne Knospe vorm schwellenden Busen, in die Arme.

Nachdem sie mir den feurigsten Kuß auf die Lippen gedrückt, windet sie mir Kränze um die Schläfe und bestreut mich mit Blumen. Dann nimmt sie einen Becher Wein, mit Wasser vermischt, reicht ihn mir hin, läßt mich daraus nippen, und ehe ich ihn noch ganz geleert, zieht sie ihn mir wieder sanft vom Munde hinweg und schlürft mit lieblich zugespitzten Lippen, zärtlich auf mich die Augen gerichtet, wollüstig den Rest aus.

Zwei- und drei- und mehrmals wechselten wir also den Becher untereinander.

Bald war mir der Wein zu Kopfe gestiegen. Geist und Körper sehnten sich mit gleicher Ungeduld nach der Liebe süßem Spiel. Aus Übermaß von Mutwillen und brünstigem Verlangen schlug ich endlich meinen Rock zurück und zeigte meiner Photis meinen leidigen Zustand.

»Erbarme dich«, sagt' ich, »und hilf mir beizeiten! Du siehst, ich bin schon fertig, den Kampf ohne Gnade zu kämpfen, wozu du mich aufgefordert hast. Sobald ich Amors ersten Pfeil tief im Innern fühlte, spannte ich gleich aus voller Kraft meinen Bogen, daß Horn und Sehne springen möchten. Allein, willst du mir ganz meine Wünsche gestatten, so löse dein Haar, daß es dich frei umwalle, und überlaß dich also meiner Umarmung.«

Ohne Verzug werden Speisen und Geräte beiseite geschafft, und aller Kleidung entblößt, die Haare entfesselt zur süßen Lust, steht Photis da wie Venus, die des Meeres Fluten entsteigt und lügenhaft-züchtig ihren marmornen Schoß mit rosiger Rechten beschattet, nicht deckt.

»Auf denn«, ruft sie, »zum Kampf! Mutig zum Kampfe! Ich halte dir stand und weiche nicht. Zeige, daß du ein Mann bist, sei tapfer und stirb tötend, denn heute gibt's keinen Pardon!« Mit diesen Worten ist sie in meinem Bett, sitzt rittlings auf mir, und schäkernd läßt sie ihr reges Kreuz so lange spielen, bis unser Vergnügen den Gipfel erreicht, die Sinne uns übergehen und, in gegenseitiger Umarmung die Seele aushauchend, wir beide hinsinken.

Unter diesen und ähnlichen Kämpfen durchwachten wir die Nacht bis nahe an den Morgen. Frische Becher stärkten von Zeit zu Zeit die ermatteten Kräfte, reizten die Begierden wieder und erneuten das Gefühl der Wollust.

Noch manche Nacht verfloß uns nach diesem Muster. ...

[ aus: Apuleius, Der goldene Esel. Aus dem Lateinischen von August Rode ]

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